Mit Fingerfarbe im Kuhstall

Wenn die Kuh im Stall bemalt wird und die Kürbisse in "gut" und "schlecht" sortiert werden, dann ist Lernort Bauernhof. Beim großen Netzwerktreffen des landesweiten Projekts in Mainz-Bodenheim gab es Workshops, Impulse und Ideen rund ums Lernen auf dem Bauernhof.

Der Lernort Bauernhof wird im Rahmen des rheinland-pfälzischen Entwicklungsprogramms „Umweltmaßnahmen, Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft, Ernährung“ (EULLE) vom Land und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Ländlichen Raumes (ELER) finanziert. Seit März 2018 bis Ende September 2025 ist die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz mit der Umsetzung des LOB beauftragt.

„Gill's Weidenhof" in Bodenheim hatte sich für einen Tag vom Milchviehbetrieb in eine richtige Bildungsmesse verwandelt: Das Netzwerktreffen Lernort Bauernhof wurde dort in Kooperation mit dem Pädagogischen Landesinstitut veranstaltet. Rund 80 Teilnehmende waren der Einladung gefolgt und informierten sich aus erster Hand über die Möglichkeiten erlebnisorientierter Bildung. Auf dem ganzen Hof verteilt befanden sich 15 Infostände, während in der großen Halle zwischen meterhohen Strohwänden gesprochen, referiert und „genetzwerkt“ wurde.

Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt zeigte sich in ihrem Grußwort beeindruckt von der Vielfalt und dem Ideenreichtum, der im Projekt „Lernort Bauernhof" steckt. „Die ländlichen Räume werden auch dadurch gestärkt, dass Wissen rund um die Landwirtschaft an breite Bevölkerungsschichten vermittelt wird", sagte Schmitt und betonte, dass der Bezug zur Landwirtschaft wiederhergestellt werden müsse. Der Lernort Bauernhof sei dazu ein sehr gut geeignetes Angebot. Zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer bestätigten eine Entfremdung der Verbraucherinnen und Verbraucher von der Landwirtschaft: Wann wächst welche Pflanze? Wie werden welche Früchte geerntet und verarbeitet? Und welche Bedeutung hat Landwirtschaft für das tägliche Essen? Das sind Fragen, die Kindern und Jugendlichen nachhaltig und eindrucksvoll auf dem Bauernhof beantwortet werden können.

Ökonomierat Norbert Schindler, Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, berichtete in seinem Grußwort von den aktuellen Erfolgszahlen des Projekts: „4.800 Schülerinnen und Schüler hatten vor der Corona-Pandemie jährlich die Angebote der anerkannten LOB-Betriebe wahrgenommen. Leider gab es rückläufige Zahlen in der Pandemiezeit. Aber seit Mitte März 2022 waren bei 318 LOB-Besuchen insgesamt 3.400 Kinder und Jugendliche auf den Höfen. Das ist beachtlich, und auf diese außerschulischen Bildungsangebote können wir zurecht stolz sein." Der Lernort Bauernhof ist über die Pandemiezeit nicht „in Vergessenheit geraten“.

Am Vormittag konnten sich die Teilnehmenden in sechs LOB-Workshops zu folgenden Themen aktiv einbringen:

  • "Alles rund um die Milch",
  • "Vom Korn zum Mehl",
  • "Der Bauernhof als Bildungsort",
  • „Rund um den Kürbis“,
  • „Vernetzung von Schulgarten und LOB-Unterricht“
  • „Lebensraum Wiese und Tolle Knolle“.

Die Dozentinnen vermittelten ihr Wissen, auf welch vielfältige Weise man Kindern und Jugendlichen die Landwirtschaft als Bildungsthema näherbringen kann. Dabei konnten einige Bauernhofpädagoginnen auf einen großen Erfahrungsschatz zurückblicken, den sie gerne teilten.

Am Nachmittag konnte sich an 15 Infoständen von Netzwerkpartnern zum Thema Landwirtschaft, Ernährung und außerschulischen Unterricht informiert und vernetzt werden.

Nach dem aktiven Netzwerken trafen sich alle Teilnehmenden wieder in der großen Scheune, um dem Vortrag von Dr. Nina-Mareen Grenz zu folgen: Die Dozentin sprach im Namen des Zentrums für Lehrerbildung an der Philipps-Universität Marburg über „Zukünftige Verbraucher*innen bilden am Lernort Bauernhof“. Dabei stellte sie interessante Studienergebnisse vor: „Der Begriff ,Bauernhof‘ ruft romantisierte Vorstellungen hervor, während die Menschen bei ,Landwirtschaft‘ an Massentierhaltung, Märkte und Umweltverschmutzung denken.“ Dieser Gegensatz könne nur durch eigenes Erleben durchbrochen werden: erfahren, verstehen, handeln. „Das persönliche Erleben vor Ort ist die Grundlage für das Verständnis.“ Sie wies darauf hin, dass die neu verfasste „Richtlinie Verbraucherbildung“ des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums hier gute Anknüpfungspunkte für Lehrkräfte biete.

Michel Grevis betrat die Hofbühne als Moderator einer Diskussionsrunde, die sich den persönlichen Erfahrungen im Bereich der Bauernhofpädagogik aus verschiedenen Blickwinkeln näherte. Grevis, Vertreter des Netzwerks BNE in der Großregion RLP, Luxemburg, Belgien und Frankreich, begrüßte neben Dr. Nina-Mareen Grenz insbesondere Ute Schmazinski vom rheinland-pfälzischen Bildungsministerium und Agnes Pohlmann vom rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium (beide Mitglieder des LOB-Steuerungsgremiums), Hartmut Magin als Erster Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft „Pfälzer Grumbeere“ und Bauernhofpädagogin Astrid Steuerwald-Ludwig vom LOB-Betrieb in Stetten. „Eigentlich müsste man jede Kindheit auf einem Bauernhof verbringen dürfen. Dann wäre das Verständnis für die landwirtschaftlichen Zusammenhänge da“, lautete Grevis´ Eingangsthese. Aktionen wie „Kartoffelprojekte“ über den Schulgarten oder die „Pfälzer Grumbeere“ sind „Türöffner“ für den Lernort Bauernhof. Um zu verstehen, warum es keine „glücklichen Tomaten zum Billigpreis“ geben kann, brauche es Bildung. Dort, im Bildungsbereich, gehöre die Vermittlung von Alltagskompetenzen hin: „Öffnen Sie Ihre Betriebe, ermöglichen Sie Naturerfahrungen“, lautete es unisono in den Reihen der Podiumsdiskussion.

Das Schlusswort war Agnes Pohlmann vom Wirtschaftsministerium vorbehalten. Sie bedankte sich bei allen Teilnehmenden und Organisatoren, vor allem aber bei Familie Gill als hervorragende Gastgeber. „Das Netzwerk Lernort Bauernhof wurde mit dieser Veranstaltung eindrucksvoll gestärkt“, sagte Pohlmann abschließend.

Hintergrundinformationen

Mit „Lernort Bauernhof“ schafft das Land Rheinland-Pfalz ein außerschulisches Lernangebot auf Bauern- und Winzerhöfen für Schülerinnen und Schüler aller Klassen- und Schulstufen an allgemeinbildenden Schulen im ganzen Land. Die Maßnahme wird im Rahmen des rheinland-pfälzischen Entwicklungsprogramms „Umweltmaßnahmen, Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft, Ernährung“ (EULLE) vom Land, vertreten durch das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Ländlichen Raumes (ELER) finanziert. Die Landwirtschaftskammer RLP wurde mit der Umsetzung beauftragt und organisiert die Schulungen für Betriebsleiter*innen, bietet Fortbildungen für Lehrkräfte an und ist für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Informationen für Lehrkräfte, Betriebe und Interessierte finden sich im Internet unter www.lernort-bauernhof-rlp.de.